Das Immunsystem - oder: warum es uns noch gibt

Das Immunsystem - oder: warum es uns noch gibt

Unser Immunsystem -  oder: warum es uns noch gibt

Unser Immunsystem ist von zentraler Bedeutung für unsere Gesundheit.

Moderne Erkenntnisse über das Immunsystem und ein umfassendes, ganzheitliches Verständnis wie es für die Naturheilkunde selbstverständlich ist, ergänzen sich dabei wie so oft gut in der Praxis. „Für den Weisen ist die ganze Welt ein Lehrer“ hießt es im Ayurveda.

  • Der Artikel beleuchtet daher zunächst kurz 1. den heutigen Kenntnisstand. 
  • In einem 2. Teil wird  exemplarisch für eine naturheilkundliche Sichtweise die Perspektive des Ayurveda skizziert.
  • Welche Möglichkeiten wir aus ayurvedischer Sicht selber haben, unser Immunsystem effektiv zu schützen und zu stärken zeigt der 3. Abschnitt anhand von fünf für den Ayurveda zentralen Aspekten. 

1. Das Immunsystem als Schlüssel zur Gesundheit– die heutige Perspektive

Alle Lebewesen stehen im ständigen Austausch mit ihrer Umwelt. Ständig kommen wir mit unzähligen körperlichen und geistigen Eindrücken in Kontakt, die wir kennen oder nicht kennen, auf die wir eine Antwort haben oder nicht, die uns stärken oder destabilisieren. In diesem Austausch ist das Immunsystem, wie es von allen höher entwickelten Lebewesen im Laufe der Evolution immer weiter entwickelt wurde, zunächst einmal unser Schutz gegen vieles, was unserem Leben gefährlich werden könnte.

Ist dieses gut ausgebildet, dann sind seine komplexen zellulären und biochemischen  Mechanismen  in der Lage, für den Organismus problematische Keime, Viren, Bakterien, Parasiten, aber auch Krebszellen aufzuspüren und zu eliminieren. Die Phänomene von individueller Widerstandskraft, Selbstheilung, Regenerationsfähigkeit und modern gesprochen Resilienz wurden in der Medizin bereits im Altertum beobachtet. Ebenso sah man früh die Notwendigkeit, diese zu stärken und fand dazu Mittel und Wege, die bis heute ihre Gültigkeit haben.

Im Laufe des letzten Jahrhunderts entwickelte sich in der westlichen Medizin ein zunehmend differenziertes Verständnis der vielschichtigen Prozesse dieses Systems, das für unser Überleben, aber auch unser Altern von entscheidender Bedeutung ist. Dennoch sind viele Fragen bis heute offen.

Heute unterscheidet man zwischen einem angeborenen und unspezifischen Anteil, und einem adaptiven, erworbenen, lernfähigen Anteil des Immunsystems. Beide sind eng verzahnt und kooperieren miteinander. Der evolutionär ältere, angeborene Anteil ist von großer Bedeutung besonders im ersten Augenblick einer Infektion, agiert aber vergleichsweise allgemein. Zu ihm gehören wichtige mechanische Barrieren wie Haut und Schleimhäute, die via Schleim, Enzyme, Magensäure etc. verhindern, dass potentielle Krankheitserreger in unsere Körper eindringen können.

Darüber hinaus sorgt ein vielfältiges System zellvermittelter Immunabwehr dafür, dass Pathogene, sollten sie diese Barrieren überwunden haben, schellst möglich wieder aus dem Organismus entfernt werden. Wichtige Eigenschaften des adaptiven Anteils des Immunsystems sind seine Lernfähigkeit und seine Fähigkeit, in der Auseinandersetzung mit unbekannten Krankheitserregen neu Gelerntes zu erinnern. Durch ein hochspezifisches System spezieller Zellen erkennt der Organismus Zellmerkmale eines Krankheitserregers, sogenannte Antigene, und bildet zu dessen spezifischer Abwehr zielgenau Antikörper und Immunfaktoren. Einmal durchlaufen lässt sich dieser Prozess dann bei einer erneuten Infektion viel schneller aufrufen. Im Wettrennen mit sich ebenfalls ständig weiterentwickelnden Krankheitserregern sind es die Kompetenzen des erworbenen Immunsystems, mit dessen Hilfe wir evolutionsgeschichtlich in der Lage waren, uns kontinuierlich zu behaupten.

Unserem Darm kommt für den Erhalt von Gesundheit dabei eine Schlüsselfunktion zu. Bis zu 80% des adaptiven, Antikörper produzierenden Immunsystems finden sich im lymphatischen Gewebe der riesigen Fläche unserer Darmschleimhaut. Die Darmschleimhaut bildet u.A. eine wesentliche Barriere gegen möglicherweise schädigende Faktoren von außen. Im Zusammenspiel von intakten Schleimhäuten, einem gesunden Mikrobiom, Nerven und einer für uns geeigneten Ernährung entscheidet sich die Anpassungsleistung und Effizienz dieser Darmbarriere, entscheidet sich, ob Krankheitserreger Körperzellen schädigen können, wir krank werden oder gesund bleiben. Körperliches und Psychisches sind hier engst miteinander verzahnt.

Im frühen Lebensalter langsam aufgebaut unterliegt unser Immunsystem  lebenslang den Schwankungen vielfältiger körperlicher und psychisch-geistiger Einflüsse, denen wir uns aussetzen, denen wir ausgesetzt sind. Große Belastungen wie Stress und Überanstrengung, Schlafmangel, unzureichende Ernährung und Mangel an bestimmten Spurenelementen, aber auch Mangel an Sonnenlicht und Bewegung, schwere Krankheiten und generell Alter können die Schutzfunktionen des Immunsystems dramatisch verringern. Man könnte sagen, die gegenteiligen Einflüsse sind der Schlüssel zur Stärkung des Immunsystems.

In der Beschreibung dieser Faktoren unterscheidet sich eine moderne, westliche Sicht kaum von der Betrachtungsweise vieler Systeme aus dem weiten Bereich der Naturheilkunde.


2. Ayurveda-Medizin als Beispiel eines ganzheitlichen Verständnisses unseres Immunsystems.

Ayurveda hat ein umfassendes Präventionskonzept entwickelt und soll daher hier, ohne in Details zu gehen, exemplarisch für einen ganzheitlichen, psychosomatisch orientierten Ansatz zum Immunsystem stehen. Der alten Ayurveda-Medizin galt unsere Widerstandskraft als zentral. Hier finden sich bereits alle auch heute noch relevanten Ansätze zu einem sinnvollen Umgang damit. Oder, wie es Hippokrates von Kos bereits im 5. Jh.v. Chr.  ausdrückte: „Die wirksamste Medizin ist die natürliche Heilkraft, die im Inneren von jedem von uns liegt.“

Im Ayurveda nennt man das dem Immunsystem entsprechende Konzept : ojas.

Ihre Aufgaben werden traditionell darin gesehen, uns gesund zu halten, Krankheiten zu bekämpfen und vorzubeugen. Ojas stellen die oberste Stufe der Entwicklung, die Essenz in der Bildung der Körpergewebe dar. Die Voraussetzung dafür nennt man im Ayurveda bala, die innere Stärke, Resilienz, die Garant für eine gesunde Entwicklung der permanent ablaufenden Geweberegeneration ist.
Ojas bezeichnen gleichzeitig einen Übergangsbereich, in dem körperliche und seelisch-geistige Eindrücke zusammenspielen, zusammenspielen müssen um das Leben selbst zu erhalten.

Man unterscheidet im Ayurveda dabei zwei Arten von ojas. Immunität steht quasi auf zwei Beinen - eins lässt sich nicht durch das andere ersetzen.

Immunität umfasst also,

  • einen begrenzten, ererbten Anteil (para-ojas) , - genetisch, könnte man modern sagen. Diesen bringen wir fix und fertig mit. Nach der alten Vorstellung tragen wir diesen im Herzen. Er lässt sich nicht regenerieren, ist er aufgebraucht sterben wir.

  • einen flexibleren Anteil, den wir durch eine geschickte Lebensführung stark beeinflussen und lange erneuern können (apara-ojas). Dieser zirkuliert im gesamten Körper.

Verständlicherweise kommt dem letzteren, unserem Einfluss zugänglichen  Aspekt  in einer ganzheitlichen Lebenslehre wie dem Ayurveda besondere Bedeutung zu. Global beschrieben in der Lehre von den  „Drei Säulen des Lebens“ führt der Weg dahin über eine individuell geeignete Ernährung, genügend Schlaf und eine gelingende Gleichgewicht im eigenen Gefühlshaushalt.

Jede dieser Ebenen leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unsrer Resilienz, unserer Widerstandskraft. Innere Balance und gute Widerstandskraft sind aus ayurvedischer Sicht zwei Seiten derselben Medaille.

3. Das Immunsystem stärken. Was wir aus ayurvedischer Sicht selber tun können

 Fünf Bereiche sind es, in denen wir effektiv etwas zur Stärkung unserer Immunität beitragen können.

 3.1. Ursachenvermeidung

Ressourcen, die wir nicht in Anspruch nehmen müssen, reduzieren Risiken und sparen Energie. Ursachenvermeidung steht daher im Ayurveda  an erster Stelle. Dazu gehören alle Maßnahmen einer sinnvollen und effektiven Hygiene der Mundhöhle und Hände. Statistisch gesehen fassen wir uns pro Stunde unwillkürlich 40 Mal ins Gesicht, 4-5 Mal an den Mund. Keine eigentlich ayurvedische Kategorie, aber auch ein Ansatz der Ursachenvermeidung sind Impfungen, mit Hilfe derer Erkrankungen optimalerweise vermieden oder abgeschwächt werden können. Doch wie können wir uns  über Hygiene hinaus schützen, wie können wir, wie das neulich so schön der bekannte Sportmediziner Dr. Kurt Mosetter formulierte, unser Immunsystem „scharf stellen“?

3.2. Ernährung

Ernährung ist von zentraler Bedeutung für einen gesunden Organismus, für starke Regeneration und Widerstandskraft. Mit dem heutigen Wissen um die Bedeutung der Darmschleimhaut für unser Immunsystem verwundert das überhaupt nicht.

Die richtige Verdauung für Alle gibt es aus ayurvedischer Sicht nicht. Was benötigt wird, ist auf den Punkt gebracht: eine hohe Qualität, Frische und eine an die Verdauungsleistung des Einzelnen angepasste Auswahl und Zubereitung von Nahrungsmitteln. Am besten arbeitet unsere Verdauung zudem, wenn wir in einer entspannten Atmosphäre dinieren.

Grundnahrungsmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, aber auch Milchprodukte, Nüsse, Früchte, Öle, Fette und in Maßen Fisch und Fleisch sollten folglich möglichst unbelastet genossen werden. Oder wie der Ernährungswissenschaftler Michel Pollan einmal etwas provokant so formulierte: „Esse nichts, was Deine Großmutter nicht als Nahrungsmittel erkannt hätte“.

Aus ayurvedischer Sicht hat alles, was wir nicht angemessen verstoffwechseln können, für unsere Gesundheit höchst negative Folgen.  Ebenfalls in der Hand haben wir es, in unserer Ernährung  zellschädigende Stoffe zu vermeiden – Stichwort (e): zu viel Alkohol, Nikotin …

3.3.Lifestyle

 Auch im Bereich unserer Lebensgewohnheit, dem Lifestyle bieten sich vielfältige Möglichkeiten zur Stärkung unseres Immunsystems.

  • Regelmäßige sportliche Aktivitäten ohne übertriebenen Leistungsgedanken trainieren und stärken den Stoffwechsel und haben für Viele zudem noch einen positiven Einfluss auf Stimmung und Lebensgefühl. Gesunde Zellregeneration wird dadurch befördert, innere Reinigung der Körpermilieus wird angeregt, Abfallstoffe werden beschleunigt ausgeschieden, der Körper entlastet.

  • Im Übergangsbereich von Körper und Psyche/Geist können Techniken wie Yoga, Tai Chi und Meditation erwiesenermaßen zur inneren Balance beitragen.

  • „Den seinen gibt’s der Herr im Schlaf“ heißt es so schön. Für die Verarbeitung körperlicher und psychischer Eindrücke ist die Ruhephase des Schlafes von entscheidender Bedeutung. Was uns den Schlaf dauerhaft raubt, macht uns langsam krank. Sich um einen guten Schlaf zu kümmern ist so, zugegeben, sehr allgemein gesprochen, auch ein Mittel, die eigene Immunität zu stärken und ein zentraler Therapieaspekt im Ayurveda. Hilfreich hierzu ist oft bereits eine Re-Rhythmisierung, die klare Etablierung eines regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus.

  • Ein weiteres wichtiges Feld für gesteigerte Immunität ist unser, wie es im Ayurveda etwas altertümlich formuliert wird, „Umgang mit den eigenen Sinneseindrücken“. Heute belegt die Psychoneuroimmunologie eindrücklich die Bedeutung des Zusammenspiels zwischen mentalen Eindrücken und Zellgesundheit. Stress führt – oft rasant – zu eingeschränkter Zellvitalität: physiologische Kreisläufe werden gestört, Fehler (z.B. des Immunsystems) in der Abwehr von Infekten, Krebs etc. passieren schneller. Eine gute Voraussetzung dafür, dass dies nicht (oder weniger) passiert, sind folglich alle Bemühungen, die helfen Konflikte abzubauen oder zu lösen, Stress zu reduzieren. Im Psychosozialen helfen Selbstliebe, Solidarität und Besonnenheit, das innere Gleichgewicht zu erhalten. Innere Klarheit und Gelassenheit sind dabei nur einige Qualitäten, die dazu als Leitlinien im Ayurveda benannt werden.

4. Pflanzenmedizin

 Ayurveda-Medizin fußt nicht unwesentlich auf einem immensen Wissensschatz an Pflanzenmedizin. Es gibt folglich eine Vielzahl an immunmodulatorisch und regenerativ wirkenden Pflanzen und Rezepturen zur Unterstützung und Stärkung des Immunsystems. Ich rate ausdrücklich, sich mit diesen Stoffen nicht selbst zu medikamentieren: fast alles, was wirkt, kann individuell falsch angewendet auch Nebenwirkungen haben. Außerdem bietet der hiesige Markt diese Pflanzenprodukte in sehr unterschiedlicher Qualität an. Ein erfahrener Therapeut hilft hier weiter. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. Diabetes Typ 2) für Alle empfehlenswert möchte ich hier aber doch die (im Ayurveda) legendäre Rezeptur Chyavanprash erwähnen. Chyavanprash, eine Art „Kräutermarmelade“ aus der Amla-Frucht (emblica officinalis) und einer Vielzahl von bewährten „Kräutern“ gilt als eine Art „Immun-booster“. Bereits 1-2 Teelöffel am Tag tun oft ihr Werk.

5. Kuren und ausleitende Verfahren

Last but not least stehen im Ranking sinnvoller Maßnahmen zur Stärkung unseres Immunsystems ausleitende Maßnahmen und Kuren, die den Körper entlasten, im Ayurveda ganz oben. Unter dem Begriff panchakarma („fünf Handlungen“) verbirgt sich ein umfassendes Konzept aus individuell abgestimmten Verfahrensschritten, - Ernährung, Massagen, Manualtherapie, Pflanzenmedizin und Ausleitungsformen. Ziele dieses altbewährten Konzeptes sind u.A. Psyche und  Stoffwechsel (Verdauung, Leber etc.) zu entlasten und zu stärken, den Körper wieder empfänglicher für Heilreize zu machen, eine psychosomatische Balance zu befördern. Die zugrunde liegende Einsicht: Selbstheilungskräfte können stärker agieren, wenn die Energie nicht anderweitig gebunden ist.

Wir können also eine ganze Menge tun, um, wie es in der Naturheilkunde heißt, „der Natur zu helfen, sich selbst zu helfen“ oder modern, unsere „Immunkompetenz“ zu erhöhen.

Das Streben nach innerer Balance ist in diesem Sinne weit mehr als eine mittlerweile abgenutzte Floskel.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und : bleiben sie gelassen und gesund !

Und bedenken Sie: „Heiterkeit entlastet das Herz“- das meinte jedenfalls bereits besagter Hippokrates.

von Michael Krause, Heilpraktiker und medizinischer Ayurveda-Spezialist

Wilhelm - Roser - Straße 25, 35037 Marburg, 0179 7310427, ayurvedamarburg@web.de