Voller Saft und Kraft und das Qi im freien Fluss

Voller Saft und Kraft und das Qi im freien Fluss

Chinesische Medizin und Akupunktur. Grundideen und Überblick

Geschichtlicher Hintergrund

Die heutige Chinesische Medizin basiert auf einer langen Tradition. Eine der ältesten Schriften ist das etwa 2600 Jahre alte Huang Di Nei Jing. Darin befragt der Gelbe Kaiser Huang Di seinen Leibarzt Qi Bo zu physiologischen und pathologischen Prozessen im Körper und wie sie zu beeinflussen sind. Noch heute sind diese Fragen und Antworten grundlegend für das Verständnis der Chinesischen Medizin.

Grundidee

Dieses frühe Konzept der Chinesischen Medizin sowie alle Ergänzungen und Weiterentwicklungen beruhen darauf, dass der Mensch eingebettet in seine Umwelt und Teil eines Ganzen ist. Die Zustände von Körper, Seele und Geist sind immer abhängig voneinander und von den äußeren Einflüssen. Diese zeigen sich lokal als persönliches Umfeld, regional z.B. in den Jahreszeiten oder der Klimazone und global im Einfluss des Kosmos.

Anatomie spielt auch für die Chinesische Medizin eine große Rolle. Wichtiger als der Blick in die einzelnen Organe, ihre zellbiologische und biochemische Analyse ist jedoch der Blick auf das Zusammenspiel der Organfunktionen und die Beschreibung von Prozessen im und am lebendigen Körper. Dabei ist die ganzheitliche Betrachtung von Körper und Psyche wichtig. Emotionen sind Teil von Organfunktionen, werden von diesen beeinflusst und beeinflussen diese.

5 Säulen zur Gesunderhaltung und Behandlung

Es gibt fünf wichtige Methoden, mit denen die Prozesse im Körper reguliert, harmonisiert und gestärkt werden. Sie werden oft als die fünf Säulen der Chinesischen Medizin bezeichnet.

Diätetik

Die Ernährungskunde beinhaltet ein sehr umfangreiches Wissen über den täglichen Einfluss von Nahrungsmitteln und deren Zubereitung auf den Körper.

Kräuterheilkunde

Viele hundert verschiedene Kräuter sind in ihrer Einzelwirkung im System der Chinesischen Medizin erfasst. Verabreicht werden sie in der Regel in Kombinationen von verschiedenen Kräutern. So können die Wirkungsweisen der Kräuter einander ergänzen und zu einer ausgewogenen, zielgenauen Behandlung zusammengestellt werden. Die Kräuterrezepturen haben eine über zweitausendjährige Tradition. Ihre Wirkungen lassen sich auch mit der großen Auswahl hiesiger Kräuter erzielen.

Akupunktur

Die Akupunktur nutzt ein Netz aus Leitbahnen, auch Meridiane genannt, die den Körper durchziehen. Die Stimulation von ausgewählten Punkten durch Druck, Wärme oder Akupunkturnadeln regt den Körper zur besseren Selbstregulation, zur Selbstheilung an.

Tui Na

Tui Na ist eine Behandlung oberflächlicher und tiefer Strukturen mit Hilfe von verschiedenen Massagetechniken und manuellen Griffen. Eine wörtliche Übersetzung von Tui Na ist „Drücken und Greifen“.

Qi Gong

Qi Gong bedeutet „Arbeit mit dem Qi“ und beinhaltet sanfte Körperübungen. Es gibt unzählige Stilrichtungen, die unter diesem Überbegriff zusammengefasst sind. Alle haben zum Ziel, den Fluss des Qi zu regulieren, ein langes Leben und harmonische Körperprozesse in allen Lebensphasen zu ermöglichen. Dazu gehört auch das Erlernen einer feinen, differenzierten Körperwahrnehmung.

Qi – die universelle Lebensenergie

Das Qi in der Chinesischen Medizin ist die universelle Energie, die aus bloßen analytischen Bestandteilen wie Fett, Eiweiß, Mineralien usw. ein lebendiges Wesen macht und alle Prozesse im Körper ermöglicht: Verdauung, Atmung, Bewegung und auch Denken und Fühlen.

Es werden zwei Komponenten von Qi im Körper unterschieden:
Das nachgeburtliche Qi wird durch Nahrung und Atmung täglich generiert und aufgefüllt.
Das vorgeburtliche Qi ist ererbt, bildet sich während der Befruchtung und in der Embryonalzeit. Es bildet ein festgelegtes Reservoir an Energie, die den Zündfunken zum Antrieb aller Körperprozesse liefert. Dieses vorgeburtliche Qi lässt sich durch eine gute Lebenspflege, d.h. eine gesundheitsfördernde Lebensführung, schonen und über lange Zeit erhalten.

Yin und Yang

Diese beiden Begriffe stellen zwei Pole innerhalb des Qi dar, wie zwei Seiten einer Medaille. Yin und Yang bedingen sich gegenseitig, stehen in Relation zueinander und verwandeln sich ineinander. Sie sind eine dynamische Beschreibung für die Prozesse des Lebens. Mit Yin verbunden sind dabei z.B. Nacht, Ruhe, Eis, kühl, unten, schwer und Substanz. Mit Yang verbunden sind z.B. Tag, Aktivität, Wasserdampf, oben, warm, Dynamik.

Saft und Kraft

Im Körper lässt sich Yin als Körpersaft und Yang als Körperkraft verstehen. Zum Körpersaft gehören Blut, Verdauungssäfte, Tränen und Speichel, aber auch Substanz wie z.B. Knochen, Sehnen und Bänder. Auch Nervenstärke, die Gelassenheit und einen guten Schlaf ermöglicht, gehört in den Bereich des Yin. Zur Körperkraft, dem Yang, zählen beispielsweise Bewegung, Wärme, Appetit, Abwehrkräfte und Tatendrang.

Stehen Körpersaft und Körperkraft in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander und fließt das Qi  in allen Körperbereichen, entsteht Wohlbefinden. Bei Stagnation von Qi oder einem Ungleichgewicht von Yin und Yang zeigen sich Symptome. Diese können von Frösteln, Trägheit, Hitze oder Unruhe bis hin zu schweren Symptomen von Krankheiten mit einer starken Dysbalance reichen. Hier zeigt sich, daß die Chinesische Medizin eine sehr feine Wahrnehmung ermöglicht, die Symptome früh erfasst, die in der westlichen Medizin in der Regel unbeachtet bleiben.

Die Leitbahnen und ihre Rolle in der Akupunktur

Leitbahnen

Der Körper ist von Leitbahnen oder Meridianen durchzogen. Es gibt zwölf Hauptleitbahnen. Zu jeder Leitbahn gehört ein Organ im Inneren des Körpers, das durch die Leitbahn mit den Fingerspitzen, Zehen oder dem Kopf verbunden ist.

Aufgabe einer Leitbahn ist es, Qi und Blut zu verteilen und Yin und Yang in Balance zu halten. Außerdem ernährt, versorgt, wärmt, befeuchtet und schützt die Leitbahn die Bereiche, die sie durchzieht und verbindet. Darüber hinaus stellt jede Leitbahn einen eigenen Funktionskreis mit spezifischen Aufgaben dar, je nach dem welches Organ ihr zugeordnet ist.

Akupunkturpunkte

Über definierte Orte auf einer Leitbahn lassen sich der Fluss des Qi, die Aktivität der Leitbahn und die Funktion des zugehörigen Organs beeinflussen. Diese Akupunkturpunkte sind im eigentlichen Sinn keine Punkte, sondern Öffnungen, die einen Einfluss auf den Qi-Fluss in der Leitbahn ermöglichen. Die Stimulation mit Druck, Wärme oder Akupunkturnadeln an diesen Akupunkturpunkten geben dem Körper einen Anstoß zur besseren Selbstregulation. So lassen sich Stauungen lösen oder Organe zu stärkerer Tätigkeit anregen, lässt sich die Kooperation der Organe untereinander harmonisieren, die Verteilung von Qi und Blut verbessern und die Ausscheidung angesammelter Substanzen fördern.

Nadeln

Akupunkturnadeln sind sehr feine Nadeln. Sie variieren in Länge und Dicke, je nach dem, ob sie an eher fleischigen oder knochigen Stellen verwendet werden. Der Einstich kann etwas schmerzhaft sein. Sobald die Nadel unter der Haut positioniert ist, kann es, durch die Anregung des Qi-Flusses, prickeln, jucken, strömen, warm werden, sollte aber nicht dauerhaft wehtun. Die Nadeln verbleiben etwa 20 Minuten am Körper.

Behandlungsmöglichkeiten

Mit Akupunktur können akute und chronische Erkrankungen behandelt werden. Symptome, die erst eine kurze Zeit bestehen, lassen sich meist in einem kurzen Zeitraum lindern, während lang bestehende Problematiken einer längeren, meist komplexeren Behandlung bedürfen.

Fazit

Das umfangreiche Wissen der Chinesischen Medizin ist ein Jahrtausende alter, stets aktualisierter Schatz an Erklärungen für physiologische und pathologische Prozesse. Das frühzeitige Erkennen von Dysbalancen, das Verhindern von Symptomen und das Lindern fortgeschrittener Pathologien ist Ziel aller Behandlungsmethoden. Neben der Behandlung durch eine*n geschulte*n Therapeut*in spielt hierbei auch die allgemeine Lebensführung der Patient*innen wie beispielsweise Ernährung, Bewegung oder Schlaf eine große Rolle. Was eine „gute Lebenspflege“ sein kann, ist deshalb ebenfalls Teil des therapeutischen Gesprächs. So bietet die Chinesische Medizin ein Gesamtkonzept, das positive Lebensveränderungen anregt und unterstützt.

Hier geht es zu der Praxis von Claudia Hilbrig: https://www.akupunktur-in-marburg.de