Systemische Beratung und Therapie

Systemische Beratung und Therapie

Was ist Systemische Therapie und Beratung und wie wird sie eingesetzt?

Dieser Blogbeitrag stellt die Systemische Therapie und Beratung vor. Es wird einige Leser:innen geben, die sich auf die Prüfung zur Heilpraktiker:in Psychotherapie vorbereiten und nach einer passenden „Methode“ für ihr zukünftiges Arbeiten suchen.

Andere Leser:innen werden sich „einfach nur so“ über diese Form der Unterstützung informieren wollen. Auf jeden Fall finden interessierte Menschen, die verstehen wollen, was sich dahinter verbirgt, hier einen Ein- und Überblick zur Systemischen Therapie und Beratung.

Kurze geschichtliche Einordnung

Die Systemische Therapie ist aus verschiedenen Strömungen und Richtungen entstanden. Die Ursprünge liegen in der Entwicklung der Familientherapie in den 1950er Jahren. An unterschiedlichen Orten der Welt (u. a. USA, Italien, Deutschland) begannen Menschen unabhängig voneinander, von einer Sicht auf einen einzelnen kranken und zu heilenden Menschen hin zu einer Betrachtung des Systems, mit sogenannten Symptomträgern, zu wechseln.

Wie der Begriff Familientherapie vermuten lässt, wurden dabei zuerst die Familien der Kient*innen mit in den Blick und in den Beratungsprozess genommen. Später erfolgte die Betrachtung der Interaktion der Menschen in ihren weiteren Systemen. Anfänglich wurde mit den Mitgliedern der Familie gearbeitet, was mitunter soweit ging, Sitzungen nur dann stattfinden zu lassen, wenn auch alle Familienmitglieder teilnahmen. Die Entwicklung setzte sich so fort, dass auch Beratungen und Therapien von Einzelpersonen unter Berücksichtigung ihrer (nicht anwesenden) Systeme stattfanden. Heutzutage finden alle möglichen Formen von Einzel- und Mehrpersonensettings in der Beratung und Therapie ihren Platz.

Ist Systemische Beratung systematisch?

Wenn Menschen mich kontaktieren, fällt auch schon mal der Begriff „systematisch“. Denkt man dabei an eine bestimmte Vorgehensweise, die bei den meisten Klient*innen gleich angewandt würde oder an manualisierte, sprich nach einem festgelegten Protokoll ablaufende Sitzungen, so ist dies sicherlich nicht die systemische Arbeitsweise. Es gibt aber „typische“ systemische Fragen oder Interventionen, von denen ich im Folgenden einige kurz anreißen werde.

Anwendungsformen

Systemische Beratung und Therapie kann bei vielen sogenannten „Störungsbildern“ angewandt werden. Hier zeigt sich auch schon einer der bedeutenderen Unterschiede: die systemischen Ansätze betrachten Menschen aus einer ressourcenorientierten Sichtweise heraus und versuchen, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Menschen, die mit Schwierigkeiten und Herausforderungen in ihrem Leben zu tun haben, werden als kompetent angesehen, eine Pathologisierung wird vermieden. Diagnosen werden eher „verflüssigt“, als sie als „Wahrheit“ über den Gesundheitszustand der Klient*innen anzusehen. Bisherige Lebensstrategien werden als Versuche zu einer Lösung angesehen und mit den Klient*innen werden dienlichere Muster erarbeitet und auf ihre Tauglichkeit für die Menschen überprüft.

Die Systemische Therapie ist seit 2008 wissenschaftlich anerkannt und seit 2019 ein sogenanntes Richtlinienverfahren und damit wie die Verhaltenstherapie (VT), die Psychoanalyse und die tiefenpsychologisch fundierte Therapie (TP) kassenabrechnungsfähig.  Mit den Kassen abrechnen können dabei die approbierten Therapeut*innen, die Zahl der systemisch ausgebildeten Menschen ist hier noch am Wachsen.

Systemische Beratung findet sich in den Feldern der Jugendhilfe, in Beratungsstellen, im Coaching in der freien Wirtschaft, in der Gesundheitsversorgung in Kliniken und anderen Berufsfeldern wieder. Viele Therapeut*innen anerkannter Verfahren haben die Systemische Therapie in ihr Repertoire aufgenommen und sie wird als Selbstzahlerleistung von Heilpraktiker*innen für Psychotherapie und allgemeinen Heilpraktiker*innen angeboten.

Methodisches

Die Grundhaltung des systemischen Ansatzes besteht in der Betrachtung der Menschen in ihren systemischen Zusammenhängen (Familie, Arbeit, Gesellschaft). Sie werden als Expert*innen ihrer selbst und ihres Lebens angesehen.

Eine der wichtigsten „Methoden“ sehe ich in der Haltung gegenüber den Menschen, die die Hilfen der systemischen Beratung und Therapie in Anspruch nehmen. Diese Haltung ist geprägt von dem Gedanken, dass Menschen bereits alles in sich tragen, um ihre Probleme oder Herausforderungen zu bewältigen. Ressourcenorientierung zeigt sich auch in der Erkundung, wie Menschen bisher ihr Leben gemeistert haben und was ihnen in der Vergangenheit geholfen und Kraft gegeben hat. Hier lassen sich mitunter Schätze bergen, die zur Lösungssuche in der aktuellen Situation genutzt werden können.

Fragen werden so eingesetzt, dass Menschen zu ihren eigenen Lösungen finden, ein schnelles Anbieten von „Patentrezepten“ wird vermieden. „Schwierige“ Verhaltensweisen oder Muster im Leben einer Person werden als Lösungsversuche angesehen, die zu würdigen gilt, die möglicherweise einmal sinnvoll waren und die es nun in gelingendere Muster umgewandelt werden können. Dabei sind der Respekt und die Wertschätzung der Person und ihrer Lebensleistung grundlegend.

Eine der bekanntesten Methoden der systemischen Arbeit sind u. a. die sogenannten zirkulären Fragen, die die Wechselwirkungen in Systemen aufgreifen und auch in Anwesenheit von anderen System-/Familienmitgliedern genutzt werden, als sogenannte „Um-die-Ecke“-Fragen. So wird beispielsweise bei einer Familiensitzung mit Vater, Mutter und Sohn, der Sohn gefragt, was er meint, wie es dem Vater geht, wenn die Mutter während der Sitzung weint.

Die Genogrammarbeit macht sich das Prinzip des Stammbaums zunutze, um in der Befragung Informationen für die beratene Person zu sammeln, die ihr bei der Lösungssuche hilfreich sein können. Hierbei werden zum Beispiel Muster in einer Familie über mehrere Generationen für den Klienten sichtbar, die zum Verständnis seiner eigenen aktuellen Situation beitragen können.

Ein weiteres Arbeitsmittel, das ich besonders gerne nutze, sind die sogenannten Externalisierungen. Ich greife hier gerne zu Holzfiguren, Spielfiguren von Playmobil oder Tierfiguren und lasse mir so Dinge erklären und arbeite spielerisch mit den Menschen an einer Lösung. Gegenstände mit Symbolwert, Moderationskarten, Stühle und anderes lassen sich dazu nutzen, um einen Abstand und damit eine bessere Sicht auf Herausforderungen zu gewinnen. Externalisierungen sind dabei kein Alleinstellungsmerkmal systemischer Therapie und Beratung, auch andere Ansätze machen sie sich zunutze.

Und dann gibt es da noch die systemische Familienaufstellung,

die mitunter als Systemische Therapie bezeichnet wird, jedoch nicht mit dieser gleichzusetzen ist.

Ich betrachte Familienaufstellungen oder Systemaufstellungen -diesen Begriff nutze ich mittlerweile bevorzugt- als eine Herangehensweise im systemischen Arbeiten, die für die Prozesse der hilfesuchenden Menschen genutzt werden kann. Wichtig ist auch hier ein offenes, an einem Auftrag der Klient*innen ausgerichtetes, lösungs- und ressourcenorientiertes Vorgehen.

Da ich diesen Ansatz sehr schätze und auch selber praktiziere, kann es sein, dass ich in der Zukunft hier noch einmal genauer darauf eingehe.

Wer mehr über Systemische Therapie und Beratung erfahren möchte, kann dies über die beiden großen Dachverbände tun oder sich bei Weiterbildungsinstituten erkundigen:

Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF)

Systemische Gesellschaft-Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V. (SG)

Kasseler Institut für Systemische Therapie und Beratung e. V. (mein „Heimatinstitut“)

Auch über Video gibt es einiges zu lernen, hier der Link zum Trailer einer Online Weiterbildung: Dr. Stefan Junker bei life lessons.

Dort findet sich auch ein Video zu „Systemischen Werkzeugen“, in dem gleich zu Beginn auf die Wichtigkeit der Grundlagen (Haltung!) hingewiesen wird.

Autor:

Dariusch Milani ist Erzieher, Sozialpädagoge, Systemischer Therapeut (SG) und Heilpraktiker für Psychotherapie und arbeitet angestellt in der Jugendhilfe und selbstständig als Systemischer Therapeut und Berater.

Mehr über seine Arbeit und seine Angebote unter https://www.dariusch-milani.de