Die Rolle der Leber in der Osteopathie

Die Rolle der Leber in der Osteopathie

Osteopathie ist ein ganzheitliches Konzept; Funktionsstörungen sollen entdeckt und behandelt werden, bevor sie schwere medizinische Symptome ausbilden. Schon immer ist die manuelle Behandlung abdominaler Organe ein wesentlicher Bestandteil der osteopathischen Therapie; Zusammen mit der parietalen, craniosakralen wird der viszeralen Osteopathie in der Behandlung von Dysfunktionen große Bedeutung beigemessen. 

Das fetale Wachstum des linken Leberlappens endet deutlich früher als das des rechten. Doch nicht nur die Form dieses Organes ist doudenal, die Leber erfüllt metabolische und entgiftenden Aufgaben. 

Über die V. portae wird das gesamte Blut des abdominalen und des metabolischen Systems der rechten Leberhälfte (Metabolik) und über die V. lienalis dem linken Leberlappen (Entgiftung) Blut aus der Milz zugeführt. Diese beiden Systeme führen der Leber venöses Blut zu. Ab dem Omentum minus fließen arterielles und venöses Blut sowie Gallenflüssigkeit als portale Trias bis zu den Sinusoiden, die in den Lebervenen münden, parallel. Strukturell wird die Leber durch das venöse System aufgeteilt; so bestimmen diese Gefäße die entsprechenden Landmarken. 

Fixiert wird die Leber im Bereich der Area nuda am Zwerchfell. Alle anderen äußeren Bereiche der Leber sind vom Bauchfell umschlossen. Über die Lig. triangulare und das Lig. Coronaria ist die Leber mit dem Zwerchfell verbunden. Weitere ligamentäre und fasziale Strukturen übertragen mechanische Informationen und können ebenso haltungsstrukturellen Aufgaben zugeordnet werden. 

Damit existieren für die Leber drei Orientierungspunkte: eine laterale Begrenzung links, eine laterale Begrenzung rechts sowie eine laterale Begrenzung unten rechts.

Inspektion

Zur Inspektion sind folgende Kriterien zu betrachten:

  • Wie ist die Wölbung des Bauches (eingezogen oder expansiv)? 
  • Wie ist die Thoraxformung (Henkel- oder Pump-Position, evtl. Torsion)?
  • Wie ist die Ruheatmung? (Sichtbar, bauchgerichtet oder thorakal)
  • Die Hautfarbe
  • Die Hautbeschaffenheit
  • Klagt der Patient über Juckreiz?

Perkutal lässt sich die Leber mittels des matten, tiefen Klanges deutlich vom Darm und der Lunge (beide weisen einen sonoreren Klang auf) abgrenzen. 

Palpation

Ist bei der klassischen Palpation (Patient liegt) die Leberstruktur deutlich spürbar, muss eine Dysfunktion der Leber angenommen werden. Das gleiche gilt, wenn bei vertiefter Einatmung die Struktur ebenfalls deutlich spürbar ist. Deutlicher wird die Diagnose, wenn der Patient sitzt, da hier die Schwerkraft des Organs genutzt werden kann und die Fixationsstrukturen besonders deutlich auf Funktion und Beanspruchung ertastet werden können. Auch wird der Spannungszustand sowie Rebounds auf Gleichmäßigkeit untersucht. Werden hierbei keine abnormen Spannungen bzw. Verteilungen der Spannung ertastet, liegt keine Dysfunktion vor. Weiter wird untersucht, ob und in welchem Zusammenhang mit der Atmung eine Bewegung der Leber intern bzw. nach außen gerichtet tastbar ist. 

Wurde diagnostiziert, dass die Leber nicht mehr autonom ist, ist die Option der Übernahme der Stützfunktion durch den Magen-Darmtrakt zu untersuchen. 

Behandlung der Leberstau

Ist ein Leberstau festgestellt wurden, müssen zunächst die funktionellen und anatomischen Sphinkter geöffnet werden, um den Stau abfließen lassen zu können. Da die entsprechenden Strukturen ohnehin empfindlich sind, muss der Osteopath hierbei besonders einfühlsam und langsam vorgehen. Bei der Entstauung der Leber muss insbesondere das Thoraxverhalten genau beobachtet werden. Möglicherweise ist eine einfache Entstauung der Leber nicht mehr ausreichend, da sich bereits ihre Position abwärts verändert hat. Eine Leberhebung darf nur erfolgen, solange die Leber noch ausreichend durch das Zwerchfell mobilisiert wird. 

Sollen die leberversorgenden Nerven und Gefäße stimuliert werden, kann das Leberpedikel stimulierend behandelt werden. Gleichwohl kann der Truncus mobilisiert werden, bis zu dem Punkt, da eine weitere Mobilisierung nicht mehr möglich ist.

Wurde festgestellt, dass die Leber sich bei leichter Einatmung nicht mehr abwärts senkt, sollte eine kranial-kaudale Ptose-Korrektur erfolgen. Sobald ertastet wird, dass die Leber beim Einatmen wieder der natürlichen Senkung folgt, ist die Korrektur abgeschlossen. 

Sind die triangularen und diaphragmalen Ligamente betroffen, weist dies auf eine Außenrotation der Leber hin. Der stimulierende Reiz wird hier durch eine Dehnung des Ligaments beim Ausatmen erreicht, so dass durch die Eigenspannung des Ligaments eine Korrektur beim Einatmen erfolgen kann. 

Um die Blutmenge, die die Leber vom Darm aus durchfließt, wieder zu erhöhen, wird der extrinsischen Motilität der Leber gezielt entgegengewirkt. Damit wird positiv auf das Gewebe und die Elastizität der Leber eingewirkt. Das Leberparenchym kann durch eine Pause während des Einatmens positiv stimuliert werden. 

Osteopathische Korrespondenzen

Die Leber ist im Körper das größte Stoffwechselorgan und u. a. zuständig für den Stoffwechsel von Eiweißen, Kohlenhydraten und Fett. Über den Pfortaderkreislauf nimmt sie alle Stoffe aus den ihr zuführenden Organen auf, speichert oder verarbeitet die Stoffe und gibt sie wieder an den Blutkreislauf ab. Die Leber hat daher eine große Bedeutung für die Entgiftung. Aktiv beteiligt ist sie am Aufbau von Proteinen, Blutgerinnungsfaktoren, Harnstoffbildung, Glykoneogenese und Lipogenese. Ferner arbeitet sie als exokrine Drüse und bildet die Galle, die über das Gallengangsystem in der Gallenblase gespeichert und bei Bedarf in das Duodenum abgeleitet wird. Die Leber hat Speicherfunktion u. a. für Blut, Eisen, Vitamin K, Vitamin B 12, Glykogen.
Die Leber liegt intraperitoneal im oberen rechten abdominalen Raum direkt unter dem Zwerchfell. Über die Region der Area nuda hat die Leber einen direkten Kontakt mit dem Diaphragma abdominale und hat damit einen engen Bezug zur Zentralsehne: Der kraniale Rand liegt dorsal auf der Höhe Th 8/Th 9 und ventral auf der Höhe des 5. Interkostalraums (ICR) rechts und 6. ICR links. Der kaudale Rand liegt dorsal auf Th 11/Th 12, ventral am unteren rechten Rippenbogen.

Faszial : Diaphragma abdominale

Ligamentär:                                                                                           

Lig. Triangulare

Lig. teres hepatis

Lig. Hepatorenale

Lig. coronarium 

Lig. falciforme Omentum minus

(Lig. hepatoduodenale und Lig. hepatogastricum)

Muskulär:

Diaphragma abdominale

  1. psoas major 

Bauchmuskeln

Nerval: 

  1. ilioinguinalis
  2. iliohypogastricus
  3. subcostalis

Parietal:

C0/C1 

C3−C5 

Th5(6)−Th9(10) 

thorakolumbaler 

Übergang Schulter rechts 

kleines Becken

untere Extremität 8.−11. Rippe rechts

vaskulär:

  1. cava inferior 
  2. azygos 
  3. portae

viszeral:

Gallenblase

Magen Colon transversum

Kolonflexur rechts Niere rechts

Duodenum Pars superior und Pars descendens Ösophagus über Diaphragma Herz Lunge

 

Quellen:

Vizeralosteopathie Grundlagen und Techniken, Eric Hebgen, Haug Verlag

Osteopathische Korrespondenzen, Osteothek, Haug Verlag

Lehrbuch der viszeralen Osteopathie, Jéróme Helsmoortel, Thomas Hirth, Peter Wührl, Thieme Verlag